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16. Oktober 2020 | 15:12 Uhr
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Wie Cluburlaub unter Corona-Bedingungen funktioniert

Eigentlich ganz gut, hat Reise-vor9-Chefredakteur Christian Schmicke im Selbstversuch ermittelt. Allerdings sollten sich Interessierte darüber im Klaren sein, dass die große Party in diesem Jahr ein bisschen gedämpft ausfällt. Außerdem beeinflussen unterschiedliche nationale Vorschriften das Clubgeschehen.

Clubkonzepte, gleich welcher Marke, sind seit ihren Ursprüngen in den 1950er Jahren auf Geselligkeit ausgelegt. Zwar hat sich seitdem vieles geändert; aus Hüttendörfern wurden Fünf-Sterne-Anlagen; aber das Grundmuster eines mehr oder minder intensiven, lockeren Austauschs unter den Gästen ist dasselbe geblieben.

Das steht in krassem Widerspruch zu den gesellschaftlichen Normen der vergangenen Monate. Abstand halten, Kontakte begrenzen und Masken tragen sind das Gegenteil jenes geselligen Miteinanders, das mit Strandpartys, Tanz, Sport und Genuss daherkommt. Dennoch versuchen die Clubanbieter, ihre Konzepte in die Pandemie-Zeit, deren Ende bisher nicht absehbar ist, zu übertragen. Kann das funktionieren?

Abstands- und Hygienekonzepte

Ja, sagt Jens Lassen, der Clubchef im 2019 eröffneten Aldiana Calabria in Süditalien. Das verwundert nicht – schließlich ist das Führen einer solchen Anlage der Job des erfahrenen Hotelmanagers, der seine Erfahrungen in zahlreichen Hotelprojekten innerhalb und außerhalb der Clubszene sammelte und abends gerne mal ein paar Elvis-Stücke auf der Bühne intoniert.

Der Mann ist Vollprofi – deshalb weiß er um den Spagat, den er gerade hinlegen muss. Auf der einen Seite ist da das Hygienekonzept: strenge Einhaltung aller Sicherheits- und Hygienevorgaben der Behörden und weitergehende eigene Standards, Maskenpflicht in allen öffentlichen Bereichen im gesamten Haus; Desinfektionsspender an allen wichtigen Punkten, weniger Selbstbedienung im Restaurant; mehr Gourmet-Teller und vorbereitete Portionen, gründliche Desinfektion der Zimmer; Gäste können entscheiden, wie oft gereinigt werden soll, regelmäßige Desinfektion aller Sportgeräte. Das weckt Vertrauen und ist notwendig, klingt aber eher nach Klinikbetrieb als nach Urlaubslust.

Balance aus Sicherheit und Entspannung

Es gehe darum, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Entspannung zu schaffen, sagt Aldiana-Geschäftsführerin Stefanie Brandes. Womit wir beim Thema wären: Sport und Entspannung funktionieren im Club auch unter Pandemie-Bedingungen; das Feiern ist dagegen nur mit angezogener Handbremse möglich. So gilt zum Beispiel in Kalabrien bei Veranstaltungen ein Tanzverbot; deshalb werden aus lebhaften abendlichen Beach Partys entspannte Chill-Out-Lounges und auch die Band an der Poolbar darf nur mit Fingerschnipsen und Applaus statt mit Hüftschwung begleitet werden.

Das muss kein Problem sein und kann für Tanzmuffel wie den Autor sogar fast als Buchungsargument gelten. Allerdings müssen die Kunden darauf vorbereitet sein, was sie erwartet. „Information ist das neue Marketing“, sagt Aldiana-Chefin Brandes treffend.

Maximal halbe Auslastung

Davon abgesehen läuft der Betrieb im Aldiana Calabria zwar ein bisschen anders als gewohnt, aber – jedenfalls aus der Sicht der Gäste – durchaus entspannt. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der Club mit seinen 324 Zimmern maximal zur Hälfte ausgelastet ist. Diese Höchstgrenze schreibt Italien den Anbietern aktuell vor. Zusammen mit dem Einbahnstraßensystem im Restaurant sorgt dies dafür, dass die Einhaltung von Abständen nicht schwierig ist. Zudem sorgt die reduzierte Gästezahl im Restaurant für Entspannung, wo jedes Gericht von Mitarbeitern hinter Plexiglasscheiben wunschgemäß zusammengestellt und ausgehändigt wird. Hier und da entstehen kurze Schlangen – die längste in der Regel beim Frühstück für die original italienisch zubereiteten Espressi und Cappuccini.

In Sachen Sport herrscht fast volles Programm. Mannschaftssportarten in größeren Gruppen dürfe Aldiana in Italien nicht organisieren, sagt Clubchef Lassen. Wenn sich aber ein paar Gäste auf dem Sportplatz zum Kicken zusammentäten, schreite man nicht ein. Tennis, Golf, Wassergymnastik, Spinning und Wassersport sind dagegen ohne Einschränkungen machbar, nur muss die zur Verfügung stehende Fläche pro Gast stimmen.

Fitness und Massagen ja, Sauna nein

Im Wellness-Bereich, laut Lassen der größte seiner Art in Süditalien, ist die Situation zweigeteilt. Der Fitness-Teil ist geöffnet, und auch Wellness-Anwendungen sind uneingeschränkt verfügbar. Der riesige Sauna-Bereich mit einem Raum für bis zu 90 Gäste – im Normalbetrieb – ist dagegen geschlossen. Die italienische Regierung will es so, was angesichts hochsommerlicher Temperaturen für die meiste Gäste kein großes Problem darstellen dürfte. Das bestätigt der Clubchef, der sagt, lediglich ein einziger Gast habe vor der Anreise nichts von der Auflage gewusst und sei ein wenig enttäuscht gewesen.

Die anwesenden Gäste wirken relaxed und im Gespräch sagen viele, die überschaubare Gästezahl mache den Urlaub zu einer sehr erholsamen Angelegenheit. Nicht wenige von ihnen haben eine wahre Umbuchungs-Odyssee hinter sich, bis sie schließlich in Kalabrien landeten. Kroatien gebucht, dann auf die Kanaren umgeschwenkt und schließlich im Aldiana Calabria gelandet – das ist in diesen Tagen ein nicht untypisches Reiseprofil.

Dass die ganz große Party flachfällt, stört die meisten Gäste nicht. Die Band und Elvis-Intonierer Jens ernten am Abend dennoch starken Beifall. Dass an der Poolbar um Mitternacht Schluss ist, stört die meisten Abendgäste nur ein bisschen. Auf diese Weise beginnt der neue Tag vielleicht ein bisschen früher.

Christian Schmicke

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