"Wir als Branche müssen dieses Konkurrenzdenken ablegen"
Der umtriebige Hotelier Alexander Aisenbrey (Foto) will die Branche revolutionieren. Nach seinem Abschied als Chef des Luxushotels Öschberghof soll sein neues Projekt die Player in Hotellerie und Gastronomie zusammenbringen, um mehr Druck auf die Politik zu machen. Wo es seiner Meinung nach klemmt, erzählt Aisenbrey im exklusiven Interview.
Herr Aisenbrey, nach 20 Jahren als Geschäftsführer des Öschberghofs ziehen Sie sich aus dem operativen Geschäft zurück. Es lief doch gut. Warum jetzt dieser Schritt?
Definitiv nicht, weil irgendetwas Negatives vorgefallen wäre. Im Gegenteil, ich hatte im Öschberghof 20 tolle Jahre, in denen wir viel miteinander geschaffen und das Hotel sowohl im Bereich der Hotellerie als auch beim Restaurant in der Spitze positioniert haben. Das war zu Beginn meine Vision und das haben wir auch erreicht. Ich wollte aber noch nie nur irgendwelche Dinge abarbeiten, deswegen kommt jetzt etwas Neues. Ein Projekt, dass ich schon seit zwei Jahren verfolge, vorantreibe und dass wir voraussichtlich im Herbst starten werden.
Worum geht es dabei?
Das kann ich noch nicht konkret sagen, weil wir noch einige gesellschaftsrechtliche Dinge klären müssen. Natürlich bleibe ich der Branche erhalten und auch nach wie vor Vorsitzender von Fair Job Hotels und Vorstand des Think Tanks Zukunft der Gastwelt. Es wird aber etwas Größeres sein. Wir sind gerade noch in Verhandlungen über Käufe, Beteiligungen und Gesellschaften, deswegen müssen wir noch ein wenig warten. Das werden wir nach und nach kommunizieren.
Fangen Sie doch jetzt mal damit an?
Nein, da müssen wir aus vertragsrechtlicher Sicht ein wenig vorsichtiger sein. Aber es wird etwas Spannendes werden, das kann ich versichern. Es wird im Kern darum gehen, junge Menschen in die Branche zu bringen, Persönlichkeiten zu entwickeln und die Branche zusammenzubringen.
Offensichtlich liegt in der Branche einiges im Argen, sonst hätten Sie ja nicht die Fair Job Hotels und die Zukunft der Gastwelt mitgegründet. Was läuft verkehrt?
Im Endeffekt wird vieles in der Branche negativ gesehen, sie wird auch in der Öffentlichkeit schlecht angesehen. Auch in der medialen Berichterstattung. Wir freuen uns, wenn Verbände sich streiten oder einer etwas Negatives ausspricht. Das Positive aber nimmt man kaum wahr. Daran müssen wir etwas ändern. Viele sind auch sehr dünnhäutig geworden und sobald mal jemand was Kritisches sagt, wird es sofort als Angriff auf eine Person oder Institution verstanden. Das bringt uns nicht weiter und führt auch dazu, dass man uns nicht ernst nimmt. Damit schwächen wir uns selbst. Die Branche ist sehr vielfältig, mit Hotellerie, Restaurants, Cafés, Zulieferern und noch vielem mehr. Wir müssen innerhalb der Branche eine Einigkeit schaffen, geschlossen auftreten und uns bei der Politik Gehör verschaffen. Die Zukunft muss ein Miteinander und kein Gegeneinander sein. Dieses Konkurrenzdenken, wer jetzt der Größere oder Bessere ist, ist kontraproduktiv. Gemeinsam kann man mehr bewegen.
Durch Fair Job Hotels und die Zukunft der Gastwelt stoßen Sie das doch bereits an, was aber auch nicht jedem gefällt.
Dass es den bisherigen Verbänden nicht gefällt, wenn ein neuer Player die Bühne betritt, verstehe ich ja. Wenn man aber mal schaut, was wir mit der Denkfabrik in nur zwei Jahren erreicht haben, und das wird dann von den etablierten Verbänden kritisiert, müsste man mal die mal fragen, was die in 40 oder 50 Jahren erreicht haben. Diese ganzen Vergleiche bringen uns aber nicht weiter. Künftig will ich genau da ansetzen und meine gesamte Erfahrung aus den vergangenen 30 Jahren gewinnbringend für die Branche einsetzen. Ich habe ja nicht mehr den Druck, allen zu beweisen, was ich kann. Das habe ich schon getan.
Kommen Sie sich dabei nicht wie ein kleiner Don Quijote vor, der gegen Windmühlen anreitet? Verbände gibt es viele, und alle sprechen für ihre Klientel, aber eben nicht gemeinsam.
Da gibt es wahnsinnig viel Arbeit. Wir sind einfach zu kleinteilig, das habe ich auch in meiner eigenen Verbandsarbeit gelernt. Sicherlich konnte ich Einiges bewegen, aber vorangekommen bin ich eigentlich nicht. Die gesamte Branche nicht. Wir erzielen ja Erfolge, aber es geht zu langsam. Da muss schneller funktionieren, und das wünschen sich auch der Dehoga, der IHA oder der HDV. Vielleicht kriegen wir es ja hin, dass wir uns ein bisschen besser aufstellen und gemeinsam agieren.
Wie wollen Sie denn die Branche zusammenführen?
Wir würden einen großen Wurf der Zusammengehörigkeit schaffen, wenn die Politik die gesamte Gastwelt als eine extrem wichtige Industrie anerkennt und wir vielleicht ein eigenes Ministerium bekommen würden, wenigstens ein geteiltes. Das wäre schon ein großer Schritt. Dann ließen sich auch die Verbände viel besser zusammenfassen und strukturieren. Als erstes müssten wir als Branche dieses Konkurrenzdenken ablegen und nicht mehr jeder für sich selbst danach streben, der Beste, Größte oder Erfolgreichste zu sein. Lasst uns lieber eine Koordinierungsstelle schaffen, wo alle Verbände aus dem deutschen Lobbyregister inkludiert sind. Da könnte dann auch der Dehoga der Vorreiter sein. Er müsste dann aber auch alle anderen akzeptieren und nicht nur dulden. Geduldet werden will niemand.
Ist das umsetzbar?
Wir müssen uns als Branche einig sein, was wir wollen. Alle sind immer für Erleichterungen, aber die Hotellerie will dies und die Gastronomie will jenes. So kommen wir auf Dauer nicht weiter. Die einzelnen Teilbereiche kann man ja dann auf einer kleineren Arbeitsebene diskutieren und anschieben. Aber der Politik gegenüber sollten wir geschlossen auftreten.
Das klingt nach viel Diskussion und wenig Output.
Der Weg dahin mit Sicherheit. Aber wenn wir alle unsere individuellen Befindlichkeiten zurückstellen und zur Erkenntnis gelangen, dass die Geschlossenheit das Beste ist, können wir was bewegen.
Das Interview führte Sven Schneider