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24. Mai 2024 | 07:00 Uhr
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Bürokratie im Hotel: "Wir verwalten uns zu Tode"

Bürokratieabbau ist ein wiederkehrendes Thema, nicht nur im Gastgewerbe. Schon seit langem werden von der Politik Vereinfachungen zugesagt. Doch davon kommt erstaunlich wenig in der Praxis an. Stephan Zöller (Foto), Leiter des Seehotels Niedernberg bei Aschaffenburg und sein Küchenchef und Stellvertreter Karim Lohr, teilen ihre Erfahrungen im Gespräch mit Hotel vor9.

Seehotel Niedernberg Stephan Zöller Direkor Foto Seehotel Niedernberg

Stephan Zöller ist Chef des Seehotels Niedernberg

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Das Seehotel Niedernberg liegt, wie es der Name bereits verrät, an einem von mehreren Baggerseen in der Gemeinde Niedernberg, im Landkreis Miltenberg, unweit von Aschaffenburg. Das Haus wirbt mit dem Slogan "Dorf am See", weil sich der Betrieb auf mehrere Häuser verteilt, von denen sich einige in einer dorfähnlichen Kulisse in einem Halbkreis um einen Minisee auf dem Hotelgelände gruppieren. Das Hotel hat 107 Zimmer und beschäftigt 115 Mitarbeiter.

Minimum 15 Stunden Arbeit im Monat nur durch Bürokratie

Stephan Zöller kann den Arbeitsaufwand für Bürokratie in seinem Haus nur schätzen: Monatlich fünf Stunden in der Unternehmensführung, fünf Stunden im Housekeeping und fünf Stunden im Service hält er für die absolute Untergrenze. Dabei sind zwischen fünf und sieben Personen im Betrieb damit beschäftigt, die bürokratischen Anforderungen durch Ämter und Behörden zu erfüllen.

Arbeitssicherheit ist der dickste Brocken

Der größte Verursacher von bürokratischem Aufwand ist für Hotelchef Zöller die Arbeitssicherheit. Das Thema an sich wird im Hause hoch gehängt und der Geschäftsleitung liegt die Sicherheit des Personals am Herzen. Doch schießen die Anforderungen der Berufsgenossenschaft bisweilen übers Ziel hinaus, meint Zöller. 

Beispielsweise muss das Housekeeping im Umgang mit den Reinigungsmitteln unterrichtet werden. Doch nach den vorgegebenen Anforderungen muss dies in einer Detailtiefe erfolgen, die laut Zöller vollkommen an der Realität vorbeigeht. Das koste Zeit, Geld und bringe der Sicherheit gar nichts.

Zur Einhaltung der Vorschriften hat das Seehotel einen externen Beauftragten eingeschaltet. Mit ihm gibt es regelmäßige Meetings und lange Listen mit Aufgaben und Terminen, die vom Hotel abgearbeitet werden müssen. Leider ist laut Zöller und Lohr viel Überflüssiges und Praxisfernes darunter.

Nervenaufreibende Auseinandersetzungen

Der tägliche E-Mail-Kampf mit Behörden, Ämtern und sonstigen Einrichtungen wie etwa der Gema gehört weiterhin zum Alltag des Hotelchefs. Mit der "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" unterhält Zöller bereits seit längerem einen Dialog, bei dem es um ein TV-Gerät in der Hotelbar geht. Nach Zöllers Auffassung ist dessen Betrieb bereits durch mehrere Vereinbarungen mit der Gema abgedeckt, was diese wiederum bestreitet. 

Soll man die Segel streichen oder den Streit bis zum noch nicht absehbaren Ende durchziehen? In diesem Einzelfall geht es nicht um die Riesensumme. Doch in der Vielzahl der Kleinigkeiten kommt unter dem Strich doch ein erheblicher Betrag zusammen, wenn man kampflos das Feld räumt. Deswegen gilt für Zöller in der Regel: Dranbleiben.

Schilda ist manchmal ganz nah

In der Praxis kommt es bisweilen zu Absurditäten, über die man eigentlich nur lachen könnte, wenn es denn nicht zugleich die Realität im Hotelalltag wäre. Ein Beispiel aus dem Wellnessbereich des Hotels: Dort hat das Unternehmen ein Tauchbecken gebaut, das mit frischem Brunnenwasser gefüllt wurde. Von Amts wegen musste das Becken jedoch wieder stillgelegt werden, weil von ihm eine Gesundheitsgefährdung für die Gäste ausgehen könnte. 

Es gebe jedoch keine Einwände, wenn die Gäste aus der Sauna sich im direkt angrenzenden öffentlichen Badesee abkühlen würden, ergänzt Zöller. In welchem Wasser die Belastung mit gesundheitsgefährdenden Inhaltsstoffen höher ist, bedarf wohl keiner Messungen.

"Wir wollen für unsere Gäste da sein und einfach nur unseren Job erfüllen"

Der Inhalt dieses Satzes fällt in Variationen mehrmals im Verlaufe des Gesprächs. Zöller und Küchenchef Lohr wollen sich, so wie man es von unzähligen Kollegen gleichfalls hört, um ihr Kerngeschäft kümmern. An der Notwendigkeit von Kommunikation, Austausch und Erfüllung administrativer Aufgaben gibt es im Seehotel überhaupt keinen Zweifel. Allerdings habe die Bürokratie ein Eigenleben entwickelt und sei aus dem Ruder gelaufen, so die Hotelprofis. Zöller und Lohr hoffen, dass die Politik Wort hält und spürbare Erleichterungen kommen, damit der Satz "Wir verwalten uns zu Tode" endlich der Vergangenheit angehört.

Frank Winter

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