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16. Februar 2023 | 21:13 Uhr
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Was bringt ein Umweltzertifikat für A&O, Herr Winter?

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und immer mehr Hotels schmücken sich mit Initiativen. A&O Hostels spielt hier den Vorreiter und hat sich gleich in Gänze mit dem Umweltzertifikat von Sustainable Fitch auszeichnen lassen. Im Interview mit Hotel vor9 verrät CEO Oliver Winter (Foto), warum ihm das wichtig ist, was es kostet – und wo die Probleme liegen.

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A&O kosten Audits und Zertifizierung jährlich etwa 120.000 Euro

Herr Winter, Sie stecken viel Zeit und Geld in ein Umweltzertifikat für A&O Hostels. Warum und was bringt das?
Das Wichtigste ist für uns, kein umweltschädliches Produkt zu haben. Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, habe ich während der Pandemie erfahren. Ich war erstaunt, wie in nur wenigen Wochen eine ganze Gesellschaft eine Reisescham entwickelt hat und keiner mehr reisen wollte. Wenn es schon so weit ist, dass wir aus Umweltgründen nicht mehr reisen, kriegen wir ein Problem – und zwar 10 bis 15 Jahre schneller als die großen Häuser, da unsere Gästeklientel jünger und eine andere ist. Also wollten wir denen ein Produkt anbieten, dass sie aus Nachhaltigkeitsgründen dennoch buchen wollen.

Warum Sustainable Fitch? Ihre Kunden können mit diesem Namen wahrscheinlich wenig anfangen.
Wir sind auf diesem Feld keine Experten und brauchten externe Unterstützung. Wir wollten es aber auch richtig machen und unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet überwachen lassen. Dafür arbeiten wir bereits seit Jahren mit InfraCert aus Berlin zusammen, deren Kriterien wir folgen, um das Green Sign-Zertifikat zu bekommen, das ist in Deutschland ja schon sehr bekannt. Aber da wir international in neun Ländern agieren, haben wir uns zusätzlich für Sustainable Fitch entschieden, die viel tiefer und detaillierter vorgehen und deren Siegel international bekannt ist. Wir mussten aber erst einmal lernen, worauf wir uns konzentrieren und wie wir es umsetzen müssen. Aber Schwierigkeiten gibt es genug.

Welche zum Beispiel?
Das beginnt schon bei der Expansion und der Frage, ob wir Bestandsimmobilien „recyceln“ oder neu bauen Wir lehnen durchaus auch Projekte ab, zum Beispiel auf Mallorca, wenn sie sich nur sehr aufwändig renovieren lassen. Auch in anderen Bereichen wie Food & Beverage werden wir immer kaufen müssen und können nichts selber anbauen, wodurch wir natürlich auch einen Fußabdruck hinterlassen. Aber den gehen wir an und wollen ihn minimieren.

Wie gehen Sie bei den Optimierungen vor?
Wir beginnen mit den einfach umzusetzenden Maßnahmen und schauen dann, wie viel das bewirkt. 2017 haben wir auf grünen Strom umgestellt, und das brachte sofort eine ganze Menge. Dann haben wir geschaut, wo wir Energie einsparen können, und daraufhin die Fenster mit einer besseren Wärmeisolierung eingebaut, die Isolierung der Gebäude verbessert, Heizungen ausgetauscht, die Beleuchtung auf LEDs umgerüstet, Plastik eingespart, und noch vieles mehr.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung?
Vor allem die Einkaufs- und Lieferkettenproblematik. In unserem Umsatz von 180 Millionen Euro im vergangenen Jahr stecken etwa 120 Millionen Euro fixe Kosten, die man nicht verhandeln kann, wie Mieten oder Zinsen auf Bankdarlehen. Dann muss man sich eben überlegen, ob man beispielsweise Äpfel aus Neuseeland, Tirol oder Werder-Äpfel kauft. Ein weiterer Punkt sind die Wäschereien. Fast alle Berliner Hotels lassen ihre Wäsche in Polen reinigen, da fahren dann täglich 50 bis 70 Lastwagen quer durch Brandenburg, das versucht enorm viel Emissionen. Wir haben jetzt für unsere vier Berliner Häuser eine lokale Wäscherei gefunden, die CO2-neutral wäscht. Das ist dann zwar etwas teurer, aber es spart uns nicht nur Zeit und Aufwand, denn unsere Fahrzeuge legen jetzt nur noch 8 Kilometer zurück und nicht mehr 180.

Funktioniert das überall? Oder gibt es Einschränkungen?
Nein. Unser Haus in Warschau zum Beispiel würden wir gerne auf grüne Energie umstellen, aber die wird auf dem polnischen Markt gar nicht angeboten. Und für unser Haus in Kopenhagen beziehen wir unser Food & Beverage aus Deutschland, weil die Preise in Dänemark so hoch sind, bis zu 60 Prozent teurer. Es ist immer auch ein Abwägen und oft eine Frage des Preis-Kompromisses. Das müssen wir beachten, denn wir haben ein Budget-Produkt – da entscheidet der Preis. Wir können unseren Kunden keine allzu hohen Preise zumuten.

Wo wir gerade beim Geld sind: Was haben die Zertifizierung, Audits und Umstellungen denn gekostet?
Die Audits und die Zertifizierung alleine kosten uns etwa 120.000 Euro im Jahr, also etwa 10.000 pro Monat, also pro Haus etwa 5000 Euro pro Jahr. Darin sind neben den Audit-Gebühren die von uns beauftragten externen Berater die größten Brocken.

Darf man es denn nur von der Ausgabenseite her sehen?
Nein, viele Maßnahmen sparen auch Geld. Wir haben jetzt in der Energiekrise beispielsweise in den Lobbys die Kühltruhen für unser Speiseeis für den Winter rausgeworfen. Für vielleicht drei verkaufte Cornettos am Tag müssen die nicht 24 Stunden laufen. Auch beim Essen kann man sparen:  Bei uns gibt es jetzt keine tropischen Früchte mehr am Buffet, also keine Mandarinen oder Bananen, sondern Äpfel. Die sind sogar günstiger. In Sachen Energie war der Strompreis im vergangenen Sommer so teuer, dass wir unsere ersten Photovoltaik-Anlagen beschlossen haben, die werden gerade aufgebaut. Vor der Energiekrise hätte es fast 15 Jahre gedauert, bis die sich rechnen. Jetzt reden wir von drei oder vier Jahren.

Erhöhen Sie die Zimmerpreise, um die Mehrkosten wieder reinzuholen?
Nein. Wir sind Volumenanbieter mit fünfeinhalb Millionen Übernachtungen im Jahr. Wenn man die Mehrkosten auf die Übernachtungen runterrechnet, reden wir von Mehrkosten von vielleicht 10 Cent pro Übernachtung.

Sind diese ganzen Maßnahmen für Ihre Kunden eigentlich relevant? Hat mal ein Gast explizit danach gefragt?
Bei Schulklassen, einer unserer wichtigsten Zielgruppen, ist das mittlerweile tatsächlich ein Verkaufsargument. Ob eine Schülergruppe bei ihrer Klassenfahrt in einem A&O übernachtet, wird bei Elternabenden entschieden. Da können Sie sicher sein, dass von 25 Eltern vier oder fünf explizit nach der Nachhaltigkeit fragen. Das wissen wir auch von unseren Schulreisepartnern – eine Klassenfahrt nach Rimini, Barcelona oder gar in Skigebiete gibt es kaum noch.

Oliver Winter, CEO A&O Hostels, gönnte sich als Lehramtsstudent in den 90er Jahren eine akademische Pause und reiste durch die Welt. Nach seiner Rückkehr änderte er seine beruflichen Pläne und gründete im Jahr 2000 in Berlin-Friedrichshain das erste A&O Hostel, das eine günstige Übernachtungsmöglichkeit nahe den größten Attraktionen einer Stadt für Backpacker und junge Menschen darstellen sollte. Im Laufe der Zeit wurde der zuvor einfache Standard der Hostels angehoben und das Unternehmen expandierte mit dem Ziel, jedes Jahr zwei weitere Häuser zu eröffnen. Aktuell betreibt A&O europaweit 40 Hostels und Hotels mit insgesamt mehr als 25.000 Betten in neun Ländern, davon die meisten in Deutschland.

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