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1. Februar 2024 | 20:21 Uhr
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Denkfabrik Gastwelt kritisiert Mehrwertsteuer-Kampagne

Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) hat eine Analyse der Mehrwertsteuer-Kampagne vorgelegt und übt scharfe Kritik am Dehoga. Mit "Krawall-Kommunikation" hätte man sich viele Türen verbaut und sei mit der falschen Strategie ins Rennen gegangen, so DZG-Vorstand Marcel Klinge (Foto).

Zukunft der Gastwelt Marcel Klinge Vorstand Foto Zukunft der Gastwelt

Marcel Klinge ist Vorstand der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG)

Er ruft auf, ein neues Bündnis zu schmieden und lädt auch Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dazu ein. Auf sieben Seiten hat die DZG ein Whitepaper zur Umsatzsteuerkampagne 2023 erstellt und darin eine Reihe von Handlungsempfehlungen und Verbesserungsvorschlägen ausgearbeitet. Schon mit der Überschrift "Was die Gastronomie von den Landwirten lernen kann" wird deutlich, dass in dem Dokument Klartext folgen wird. 

"Wenn der Hospitality schmerzhaft einige Milliarden Euro verloren gehen, sollten wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen – wie in jedem Unternehmen – die eigenen Aktivitäten kritisch reflektieren und aus Fehlern lernen. Denn eines steht fest: Landwirte und Lufthansa haben in den vergangenen Wochen bewiesen, dass sie (mit unterschiedlichen Strategien) kurzfristig finanzrelevante Lobbyerfolge erzielen konnten, während die Gastronomie mal wieder mit leeren Händen dasteht", begründet Klinge, warum die DZG die Analyse vorgenommen hat.

Damit nimmt die DZG nun das kommunikative Heft in die Hand und kritisiert insbesondere den Dehoga Bundesverband scharf, ohne ihn immer direkt zu nennen. Dabei stellt die DZG die These auf, noch im Januar wäre die Erhöhung auf 19 Prozent abzuwenden gewesen. "Hintergrund ist, dass der Bund das Haushaltsjahr 2023 mit einem Plus von 6,3 Milliarden abgeschlossen hat und dieser Betrag den Haushaltsausschuss am 18. Januar 2024 außerplanmäßig zur Verfügung stand", heißt es. "Damit wären sieben Prozent auf Speisen auch in diesem Jahr möglich gewesen – und das trotz jüngstem Verfassungsgerichtsurteil." 

Die Strategie "alles oder nichts" war nicht vom Erfolg gekrönt

Jedoch – und spätestens jetzt ist der Pfeil Richtung Dehoga abgeschossen – hätte die "Krawall"-Kommunikation aus einigen Branchenteilen im Dezember und Januar gegenüber der Ampel weiteres Porzellan zerschlagen, so dass man wieder nicht zum Zuge gekommen sei, so der DZG-Vorstandssprecher. Und er legt direkt weiter nach, indem er für die künftige Lobbyarbeit Verbesserungsbedarf bei Strategie, Mobilisierung und Tonalität anregt: "Auch wenn es zunächst so aussieht, als hätte die Gastronomie am Ende einfach Pech gehabt, kommen auf den zweiten Blick eigene Fehler und spätes Handeln zum Vorschein, die einen Erfolg unnötig schwer gemacht haben."

Zudem kritisiert Klinge, bei der Umsatzsteuerkampagne hätten die Verantwortlichen zu lange an der Strategie "alles oder nichts" festgehalten. "Natürlich war es in Ordnung mit der Maximalforderung ins Rennen zu gehen", so Klinge gegenüber Hotel vor9. "Aber wenn man dauerhaft von der Politik zurückgespielt bekommt, dass die sieben Prozent nicht realistisch sind, warum haben wir in dann alles auf diese eine Karte gesetzt", fragt der Denkfabrik-Sprecher. Besser sei es gewesen, wenn der immer wieder "leise" diskutierte Alternativvorschlag, zehn Prozent auf alle Speisen, auch offensiv ins Spiel gebracht worden wäre. 

Nächster Kritikpunkt: zu schwache Mobilisierung auf Bundesebene

Und noch einen weiteren Punkt, warum die Kampagne ohne Erfolg blieb, bringt die DZG-Analyse hervor: die schlechte Mobilisierung auf Bundesebene. "Wenn zu wichtigen Demonstrationen gerade einmal 150 Menschen kommen, sollte uns das alle zum Nachdenken bringen", traut sich Klinge das Desaster anzusprechen, als zur Demo der Initiative "Rettet die Vielfalt" Anfang November 2023 nur eine Handvoll Teilnehmer erschienen waren. 

Ein schlechtes Bild würde der Dehoga auch in den sozialen Medien abgeben. "So erzielte kein Beitrag auf den Linkedin- und Facebook-Seiten des Bundes-Dehoga zum Thema Umsatzsteuer in Summe mehr als 350 Likes – und das bei 16.846 Facebook-Followern", heißt es in der Analyse. Auch die angestoßene Petition "7% einheitlich auf Essen!" hätte Wochen gebraucht, um die wichtige Schwelle von 50.000 Unterzeichnern zu überspringen und habe bis heute ihr Sammelziel nicht erreicht. "In Anbetracht der enorm hohen Bedeutung sozialer Medien stellte die „Netzschwäche“ der Branche ein großes Problem dar", so das Urteil der DZG.

Als Erklärung für die geringe Beteiligung führt die Denkfabrik an, dass nicht frühzeitig genug ein breites Bündnis der im Lobbyregister registrierten 82 Gastwelt-Organisationen und 29 Gastwelt-Unternehmen geschmiedet worden sei. Eine solche "Koalition" sei aber zwingend notwendig, um ausreichend politischen Handlungsdruck im Bund zu erzeugen, betonen die Autoren des Papiers. 

Trotz der mitunter schonungslosen Analyse betont Klinge im Gespräch mit Hotel vor9, er wolle öffentlich niemanden angreifen. "Ich habe Ingrid Hartges angeboten, die Analyse vorzustellen und in den Dialog zu gehen. Wir wollen damit eine konstruktive Diskussion lostreten."

Jetzt gehe es darum, alle 111 Akteure des Lobbyregisters zu einem Bündnis zu formen. Der nächste realistische Anlauf, Mehrheiten für eine (dauerhafte) Umsatzsteuersenkung auf Speisen zu erhalten, sei dann der Januar 2026 nach der Bundestagswahl. Dazu sei es notwendig, nun ausreichend finanzielle wie organisatorische Ressourcen in einer eigenständigen Kampagnenorganisation zu bündeln und dieses Projekt im zweiten Quartal 2024 zu starten, so Klinge. 

Man darf gespannt sein, ob sich der Dehoga daran beteiligen will.

Pascal Brückmann

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