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1. November 2023 | 07:00 Uhr
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Giata will Hoheit über die Daten wieder an die Hotels geben

Der Marktführer für Datenbanklösungen in der Touristik hat mit Mathis Boldt seit sechs Monaten einen neuen CEO. Im Hotel vor9 Interview erklärt der ehemalige Manager von Booking und Get your Guide, wie Hotels sich mit einer guten Daten- und Content-Qualität aus der Abhängigkeit der übermächtigen Vertriebskanäle lösen und das Direktgeschäft fördern können.

Giata

Mathis Boldt, seit einem guten halben Jahr leiten Sie als CEO die Giata GmbH. In welchem Zustand haben Sie das Unternehmen vorgefunden?

Mathis Boldt: Giata ist ein Unternehmen, das sehr langsam und kontinuierlich gewachsen ist in einem sehr klar abgegrenzten Marktumfeld. Von der DNA sind wir schon immer ein Travel-Tech-Unternehmen gewesen. Dementsprechend habe ich dort auch die Tech-Strukturen vorgefunden und eine Belegschaft, die ein unglaubliches Netzwerk in die Reisewirtschaft unterhält. Sowohl in die eher traditionelle Branche wie Reisebüros, Reisebüroketten, Reiseveranstalter, aber eben auch zu den OTAs wie Booking.com oder Expedia. Die Firma ist von der Größe im Vergleich zu dem, was ich vorher gemacht habe, überschaubar mit 100 Mitarbeitern an einen Standort in Berlin und wurde halt über die letzten 26 Jahre von den beiden Gründern geleitet und auch strategisch durchdacht aufgebaut. Was sicherlich der Unterschied zu meinen vorherigen Tätigkeiten war, also Booking und Get Your Guide: da ging es natürlich darum, schneller ein Geschäft zu skalieren und schnell zu internationalisieren, überhaupt schneller Resultate zu bringen. Da hat Giata sicher eine andere DNA, die deutlich mehr aus dem Mittelstandsdenken entstanden ist.

Aber so bleibt es doch nicht, oder?

Wir gehen da denke ich jetzt einen guten Mittelweg zwischen beiden Welten. Wir haben unglaublich starke Werte und unglaublich starke Geschäftsbeziehung, die wir weiter ausbauen, aber in verschiedenen Bereichen modernisieren wir natürlich auch. Wir schauen sehr stark, wo wir Prozesse automatisieren können, wo wir auch AI besser umsetzen können. Aber die Modernisierung und Umstrukturierung ändert nichts an unserer Basis.

Bei Ihrem neuen Produkt Giata Drive wird plötzlich das Prinzip dahingehend umgekehrt, dass die Hotels selbst und nicht die Abnehmer für die Dienstleistung von Giata zahlen. Warum sollten sie das tun und wie ist die Resonanz?

Wir haben das Produkt entwickelt, weil viele Hotels sich genau eine solche Lösung gewünscht haben. Die Herausforderung ist, dass Hotels, wenn man sich mal den Vertrieb letzten Jahrzehnte anschaut, ihre Hoheit über ihr Produkt und Marke eigentlich verloren haben. Heutzutage entscheiden teilweise Reiseveranstalter, Bettenbank-Anbieter aber auch OTAs, wie sie ein Hotel darstellen wollen und das Hotel sitzt nur auf der Ersatzbank und kann nur sehr bedingt mitreden.

Und gegen Geld können sie sich nun via Giata Drive wieder einwechseln…?

Wenn die Hotellerie sich aus der Abhängigkeit starker Vertriebskanäle lösen und das Direktgeschäft fördern möchte, sollte sie das tun. Denn wenn man nicht eine klare Markenidentität und einen klaren Markenauftritt hat, dann ist die Vergleichbarkeit sehr, sehr schwer und die Kunden gehen dann wie bisher tendenziell dorthin, wo sie den besten Content finden. Und das sind dann wieder die zwei, drei großen OTAs, die auch Millionen investiert haben. Es ist also nur im Interesse des Hotels zu sagen: "Ich bin die Marke, ich stehe für etwas und ich werde nicht nur meine Verfügbarkeiten und Raten überall distribuieren, sondern werde auch kommunizieren, warum ein Gast mein Hotel überhaupt buchen soll!" Und das ist etwas, was sie über Giata Drive sicherstellen können. Ebenso wie eine automatische Übernahme jeder Änderung, die dann auch jeden Vertriebskanal sofort erreicht. So wird verhindert, dass ein Kunde etwas sieht, was tendenziell inhaltlich falsch ist oder schon aktualisiert wurde.

Warum ist die Hoheit über das eigene Produkt so wichtig?

Keine renommierte Marke wie Adidas, Porsche oder Rolex würde es zulassen, wenn ein Distributionspartner falschen Content ausspielen würde. In der Touristik herrscht da aber doch noch viel Kraut und Rüben. Wenn beispielsweise ein bekanntes Berliner Fünf-Sterne-Hotel, das sich in der Nähe des Brandenburger Tors befindet, auf einer Webseite als Drei-Sterne-Hotel klassifiziert wird, dann ist das grob geschäftsschädigend. Und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele veraltete Bilder, Logos oder Beschreibungen von Hotels im Netz kursieren. Das hat mit Giata Drive perspektivisch ein Ende.

Ab welcher Unternehmensgröße lohnt sich die Zusammenarbeit für die Hotels?

Unser Produkt ist nicht nur eine Lösung für große und internationale Häuser. Wir haben einen sehr relevanten Anteil an Hotels mit bis zu 20 Zimmern, die schon Giata Drive nutzen. Und von der Übersetzung in 25 Sprachen profitieren nicht nur die externen Vertriebskanäle, sondern auch das Hotel selbst. 

Wo stehen Sie aktuell mit dem Produkt und der Verbreitung?

Giata Drive ist derzeit eine Datenbank von 33.000 Hotels. Und mehr als 900 Marken und Hotelketten pflegen ihren Content bereits über Giata Drive.

In welchen Märkten wollen sie damit zunächst wachsen?

Wir zielen einerseits auf sämtliche Ferienhotels am Mittelmeer ab, da haben wir ein Potenzial von rund 125.000 Häusern. Und im Heimatmarkt Deutschland plus Umgebung sicher noch einmal bis zu 20.000 Hotels. Wir werden aber bestimmt nicht jedes Haus mit unserem Sales-Team kontaktieren, sondern setzen auch auf Mund-zu-Mund-Propaganda und digitales Marketing. Es ist ja auch ein Produkt, das nicht wahnsinnig teuer ist, es beginnt bei 29 Euro pro Monat.

Die Übersetzungen der Texte in 25 Sprachen erfolgen bereits komplett über AI?

Nein, wir arbeiten hier mit einer Mischung aus Menschen und Maschine. Denn wir müssen sicherstellen, dass sämtliche Texte auch konform mit dem Reiserecht formuliert sind. Die KI neigt noch immer dazu, dass bei unklaren oder fehlenden Informationen etwas dazu gedichtet wird. Ohne die manuelle Sicherheitskontrolle geht es also noch nicht.

An welchen Produktverbesserung arbeiten Sie noch?

Unsere Produkte sind derzeit sehr stark auf Hotels ausgerichtet. Wir wissen aber alle, dass die Anbieter von alternativen Unterkunftsformen wie Ferienhäuser, Airbnbs oder Service-Apartments stark wachsen. Das gucken uns gerade genau an. Wir möchten auch hier perspektivisch einen Mehrwert bieten und allen unseren Partnern für diese Produkte eine perfekte Datenbanklösung offerieren. Darüber hinaus planen wir, dass der Hotel-Content auf Wunsch auch zielgruppenspezifisch oder themenbezogen ausgespielt wird. Also beispielsweise, dass ein Reisevermittler oder ein Veranstalter, der eine Winter-Kampagne fährt, von allen Häusern automatisch winterliche oder weihnachtliche Bilder ausgespielt bekommt.

Derzeit macht Giata einen zweistelligen Millionen-Umsatz. Gibt es demzufolge ein konkretes Wachstumsziel für die nächsten Jahre?

Natürlich haben wir ambitionierte Wachstumsziele, aber wir sind nicht getrieben und wollen uns nicht verheben. Wir sind ein profitables Unternehmen und stolz auf unsere gesunde Unternehmenskultur. Aber ja, wir wollen durchaus etwas aggressiver sein, etwas offensivere Wetten eingehen und noch mal einen Schritt nach vorne gehen. Das kann auch über eine Akquisition geschehen. Aber vor allem dadurch, dass wir sowohl auf der OTA-Seite als auch auf der Reiseveranstalter-Seite und auf der Hotel-Seite den Partnern dabei helfen, zusätzliches Wachstum zu generieren. Und wir glauben, dass wir dort in Zukunft eine ganz wichtige Rolle spielen können.

Das Gespräch führte Pascal Brückmann

 Mathis Boldt (46) war langjähriger Geschäftsführer für Deutschland, Skandinavien und Osteuropa bei Booking und zählte dort zu den ersten Mitarbeitern des Unternehmens überhaupt, als er 2005 in das noch nahezu unbekannte Unternehmen eintrat. 2012 wechselte er an den Firmensitz nach Amsterdam und verantwortete von dort aus das globale Partnergeschäft als Director Global Strategic Partnerships. Im Jahr 2015 wechselte er als Vice President zum Aktivitäten-Anbieter Get your guide, wo er für die Internationalisierung verantwortlich war. Seit Mai 2023 ist er CEO der Giata GmbH mit Sitz in Berlin. 

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