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20. April 2023 | 20:59 Uhr
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Wie ein kleines Garni-Hotel die Krise überlebte

Betriebsseitig waren die vergangenen drei Jahre für Jutta Max (Foto) als Inhaberin eines kleinen Hotel Garni in der Ruhrgebietsstadt Schwerte eine harte Prüfung. Im Gegensatz zu hunderten anderer Garnis konnte ihr Hotel Reichshof aber überleben, indem sie an wichtigen Stellschrauben drehte.

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Jutta Max macht fast alles in ihrem Hotel Reichshof in Schwerte

Back Office und Front Desk, der Verkauf der 16 Zimmer und die Bestückung des Frühstücksbuffets, Telefondienst und Concierge-Tätigkeiten – obwohl sie in ihrem Hotel Reichshof in der Ruhrgebietsstadt Schwerte bei Dortmund fast alles alleine macht, merkt man Jutta Max die Mehrbelastung nicht an. Ihr "Lohn": Arbeitstage, die regelmäßig an die 13 Stunden dauern.

Noch im Jahr 2019 war das anders. "Da hatte ich zwei fest angestellte Frühstücksfeen, die mir viel Arbeit abnahmen", sagt die 58-jährige Hotelbetriebswirtin. Aber die sind längst fort, haben sich was Neues gesucht, und kommen nicht mehr zurück. Gerne hätte sie diese helfenden Hände noch länger behalten. In den ersten beiden Pandemie-Jahren griff dann aber die Kurzarbeit, und obwohl Jutta Max deren Gehalt noch aufstockte, "aus Dank für fast 20 Jahre, in denen die beiden hier arbeiteten", konnte sie sie nicht mehr halten. "Also bleibt es an mir hängen." Lediglich für den Bereich Housekeeping beschäftigt sie noch zwei Frauen aus Rumänien, die je nach Gästebelegung zwischen 60 und 150 Stunden im Monat unterstützen.

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Ohne die Überbrückungshilfen der Regierung hätte sie es nicht geschafft. Die Fixkosten für den Erhalt und Betrieb des historischen Gründerzeitbaus aus dem Jahr 1899 (Foto oben) waren einfach zu hoch. Hilfreich waren auch die beiden Ladenmieten von zwei Geschäften im Erdgeschoss des Hotels. Aber all das reichte immer noch nicht, sie musste noch an mehreren Stellschrauben drehen, um ihre Kosten zu drücken und da bot sich der Garni-Bereich einfach an.

Gespart wird auch beim Frühstück

Früher gab es jeden Tag ein üppiges Frühstücksbuffet, mittlerweile gibt es das nur noch von Dienstag bis Samstag, in abgespeckter Form, mit weniger Auswahl. Und auch das nur bei entsprechender Belegung: Sind nur zwei Gäste im Haus, "lohnt es sich nicht". Anstelle der noch vor der Pandemie üblichen hübsch eingedeckten Tische und silbernen Kaffeekännchen gilt jetzt Self-Service am Buffet, ein Kaffeevollautomat gurgelt im Hintergrund. 

Und seit der inhabergeführte Ortsbäcker entschieden hat, sonntags nicht mehr zu öffnen, hat der Reichshof sich angeschlossen und bietet nun am Sonntag auch kein Frühstück mehr an. Brötchen der Kettenbäcker oder Aufbackbrötchen sind für die Chefin keine Alternative. Nun bekommen die Gäste beim Check-in Frühstücksempfehlungen in unmittelbarer Nähe genannt. Da dies den Gästen frühzeitig kommuniziert wird, kommen die meisten damit auch klar. Diesen Minderaufwand gibt sie an die Gäste weiter, der Preis für das Frühstück sank von 14,50 Euro auf 10,50 Euro.

Um zusätzlich die Energiekosten zu drosseln, wurden die Heizkörper im Hotel Reichshof mit digitalen Thermostaten versehen, die auf eine einstellbare Höchsttemperatur von 22 Grad begrenzt wurden. "Früher hatte der Gast im Winter die Möglichkeiten das Thermostat auf 26 Grad zu erhöhen, aber jetzt nicht mehr. Jedes Grad mehr kostet Geld."

Tiefer runter geht sie aber nicht, obwohl sie von Häusern gehört hat, in denen die Temperatur auf etwa 18 Grad gesenkt und ihren Gästen das Tragen einer Jacke empfohlen wurde. "Das geht gar nicht", sagt sie. Auf den Einbau einer Klimaanlage, um in den warmen Sommermonaten die Temperatur abzusenken, hat sie ebenfalls verzichtet. Sollte die Hitze doch mal zu drückend sein, stellt Jutta Max Ventilatoren in die Zimmer, tauscht die Winterdaunen- gegen die Sommerdaunendecken aus und legt noch Laken aus, mit denen der Gast sich statt mit der Sommerdecke zudecken kann.

Am Room-Cleaning wird nicht gespart

Andere Garnis kämen noch auf weitere Ideen, von denen Jutta Max aber nichts hält. So habe sie von einem Haus gehört, dass sich das tägliche Room-Cleaning spart, um den Gästen im Gegenzug einen Cocktail-Gutschein auszugeben. "Dann weiß ich aber auch, wie später die Silikonnähte der Bäder aussehen", versichert sie mit energischem Blick und Verve in der Stimme. "Nein, wir putzen zumindest Bäder jeden Tag."

Die Gäste goutieren das. Derzeit sind alle Zimmer belegt, und seitdem das Messegeschäft wieder angelaufen ist, spuckt der gegenüberliegende Bahnhof regelmäßig Geschäftsreisende aus, die im Hotel Reichshof übernachten, bevor sie mit dem Zug nach Düsseldorf, Essen oder Dortmund reisen. Auch viele Servicetechniker von den Unternehmen in der Umgebung kommen gerne und oft. Sie haben Jutta Max während der ersten Pandemiephase sehr geholfen, da sie Geschäftsreisende beherbergen durfte. "Fünf oder sechs Zimmer waren immer belegt", erinnert sie sich.

Geschäftsreisende sind die wichtigste Klientel, doch jetzt im Frühling geht es auch mit den Privatreisenden los, vor allem der nahe Ruhrtalradweg bringt zahlreiche Gäste, die von Winterberg im Sauerland kommend bis zur Mündung in den Rhein bei Duisburg im Reichshof unterkommen. Sie hat die Krisenklippe umschifft und ihrem Haus das Überleben gesichert, wobei es für sie auch keine andere Wahl gegeben habe. Ein Verkauf des über 120 Jahre alten Gebäudes schied von vornherein aus, "dafür hängen wir viel zu doll an diesem alten Kasten, und wir hätten das auch nicht so schnell hingekriegt".

Auf Dauer wird sie das aber eventuell versuchen müssen, denn dass ihr Sohn mal das Hotel Reichshof in dann vierter Generation übernehmen wird, scheint derzeit ausgeschlossen. "Die Work-Life-Balance ist jungen Leuten heute wichtiger", sagt sie. "Auf 13-Stunden-Arbeitstage haben die keine Lust."

Sven Schneider

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