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27. April 2023 | 07:00 Uhr
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Wie soll die Vier-Tage-Woche funktionieren, Herr Gaedt?

Wenig wird derzeit auf dem Arbeitsmarkt intensiver diskutiert als die Vier-Tage-Woche, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Vortragsredner und Autor Martin Gaedt (Foto) wollte es genau wissen und befragte 151 Unternehmen aus dem DACH-Raum, darunter viele Hotels, zu ihren Erfahrungen mit dem Modell, erzählt er im Interview.

Gaedt Martin 2 Foto Provotainment Viktor Strasse

Autor Martin Gaedt hat die Vier-Tage-Woche genau unter die Lupe genommen

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Die Fünf-Tage-Woche galt noch bis vor kurzem in deutschen Unternehmen als sakrosankt, nun interessieren sich immer mehr Unternehmen für ein Vier-Tage-Modell. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Nach meinen Recherchen bin ich der Meinung, dass den Menschen eine Arbeitszeitverkürzung einfach gut tut – egal, um welches Modell es sich im Einzelfall handelt. Und geht es den Mitarbeitern gut, wirkt sich das auch positiv auf das Unternehmen aus. Darum glaube ich auch, dass es immer mehr Modelle zur Arbeitszeitverkürzung geben wird. Ob das dann am Ende fünf oder vier Tage mit 32, 34 oder 36 Wochenstunden sein werden oder eine 25-Stunden-Woche, wie sie ja auch schon mancherorts praktiziert wird, ist von den jeweiligen Unternehmen abhängig. Aber es wird definitiv weiter wachsen. Außerdem gilt eine Arbeitszeitverkürzung als wirksames Mittel für den Klimaschutz, da man zumindest einen Tag weniger zur Arbeit pendelt, und es reduziert die Energiekosten. Besonders positiv: Die Krankenstände der Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche eingeführt haben und mit denen ich sprach, sind enorm zurückgegangen. 

Auch einige Hotels wie die 25hours-Kette nutzen seit 2022 ein Vier-Tage-Modell – dabei scheint es gerade in dieser Branche schwierig zu sein, denn in einem Hotel ist immer etwas los, rund um die Uhr, in jedem Bereich. Was muss ich als Hotel denn umsetzen, um ein Vier-Tage-Modell zu implementieren?

Um Grit Pauling vom 25hours in Köln zu zitieren: 'Es ist nur eine Frage der anderen Organisation.' Man muss die Schichten neu einteilen. Im 25hours zum Beispiel können die Mitarbeiter wählen, ob sie anstelle ihrer normalen Fünf-Tage-Woche auf eine Vier-Tage-Woche gehen wollen und dafür an den vier Tagen jeweils neun Stunden arbeiten, um einen freien Tag zu erhalten. Bei vollem Lohn. Dafür haben sich 80 Prozent der Angestellten entschieden. Mit positivem Effekt: Laut Frau Pauling ist allein der Krankenstand in der Küche deutlich gesunken. Das ist in vielen Unternehmen auch der entscheidende Faktor: Trotz Reduzierung der Tagesarbeitszeiten sind die Mitarbeiter gesünder und fallen seltener aus, insofern gibt es dort auch keinen Personalmangel. 

Was ist denn in einer Grippewelle oder einem erneuten Corona-Ausbruch, wenn die Leute reihenweise aus Krankheitsgründen ausfallen? Das dürfte noch die beste Arbeitsplanung und Schichteinteilung torpedieren.

Das kann man schwerlich vorausplanen. Aber bevor man es final implementiert, empfehle ich daran interessierten Unternehmen einen vorherigen Testlauf mit einer Vier-Tage-Woche. Dabei kann man sich alle notwendigen Parameter genau anschauen und auch vom Umsatz her nach einem halben Jahr sehen, wie es sich entwickelt und ob es funktioniert hat. Oder man überlässt die Entscheidung den Mitarbeitern selbst, was einige der von mir untersuchten Unternehmen auch gemacht haben. Das sind die beiden wichtigsten Elemente: Zum einen ein vorheriger Test, und zum anderen muss man die Mitarbeiter von Anfang an einbeziehen. Was mich selber verblüfft hat: Egal, wie das jeweilige Modell ausgestaltet war, berichteten alle von mir für das Buch analysierten Unternehmen von gesunkenen Krankenständen bei nicht nachlassender Produktivität.

Wie sollte so ein Testlauf aussehen?

Definitiv nicht statisch. Das Hotel Upstalsboom in Wyk auf Föhr hat beispielsweise einen offenen Test konzipiert. Dort hat man erst mit einzelnen Bereichen wie der Rezeption begonnen, und dann nach und nach immer weitere Bereiche des Hotels dazu genommen. War der Test nach einem halben Jahr in einem Segment erfolgreich, hat man die neuen Arbeitszeitmodelle dauerhaft implementiert. Dabei haben die Mitarbeiter weiterhin die Wahl, ob sie in einer Vier-Tage-Woche oder Fünf-Tage-Variante arbeiten wollen. Alle Praxis-Beispiele im Buch zeigen: Die wenigsten Menschen wollten zurück, wenn sie eine Vier-Tage-Woche erlebt haben.

Der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche wird oft mit der Hoffnung auf eine verbesserte Work-Life-Balance begründet. Aber erreicht man die, wenn man bis zu zehn Stunden täglich unter Volldampf arbeitet?

Das Argument höre ich öfters, aber meiner Meinung nach greift es nicht. Man sollte die Entscheidung darüber den Mitarbeitern selbst überlassen, wie es einige Unternehmen auch tun. Diese wissen ja am besten, welches Pensum ihnen zu viel wird und welches nicht. Auch dafür sind vorherige Tests wichtig. Mehr als 95 Prozent der Betriebe mit einer Vier-Tage-Woche reduzieren die Arbeitszeiten. Im Buch gibt es ein Beispiel in der Logistik mit 40 Stunden an vier Tagen, und die haben von 45 Stunden reduziert.

Könnte eine Vier-Tage-Woche nur der Anfang sein und wir reden irgendwann über eine Drei-Tage-Woche?

Ich denke, dass es auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten hinauslaufen wird. Es hängt auch immer von der jeweiligen Branche ab, wie eine Reduzierung der Arbeit aussehen könnte, teilweise auch vom jeweiligen Betrieb. Am Ende ist das auch eine Art Verhandlungsmasse zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das lässt sich individuell regeln, so dass jeder Einzelne das für ihn passende Modell bekommt. Arbeitgeber werden sich darauf einstellen müssen, denn Mitarbeiter können wählen.

Was habe ich neben den bereits erwähnten Vorteilen als Arbeitgeber davon, meine Arbeitsmodelle so sehr auf meinen Arbeitnehmer auszurichten?

Zum einen arbeiten zufriedene und glückliche Arbeitnehmer besser und zielgerichteter, sie sind auch besser konzentriert, wenn sie ausgeruhter sind. Zum anderen profitierten alle der von mir interviewten Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche anbieten, von einem starken Anstieg der Bewerberzahlen. Es hat also einen positiven Einfluss auf das Employer Branding, man steht als Unternehmen in einem viel besseren Licht und ist attraktiver für Arbeitnehmer.

Das Interview führte Hotel-vor9-Redakteur Sven Schneider

Der Berliner Unternehmer und Autor Martin Gaedt hat für sein Buch "4-Tage-Woche" 151 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum untersucht, die den Arbeitsrhythmus ihrer Angestellten von fünf auf vier Tage umstellten. Mit oftmals individuellen Wegen – aber übergreifenden positiven Effekten. 4-Tage-Woche, 308 Seiten, gebunden 22,99 Euro, Taschenbuch 14,99 Euro, erhältlich unter anderem bei Thalia, Hugendubel und Amazon.

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