Neue Kennzahlen für nachhaltigen Tourismus gefordert
Übernachtungen und Ankünfte reichen nicht mehr aus, um touristischen Erfolg zu messen. Das Bayerische Zentrum für Tourismus diskutierte neue Kennzahlen, die auch Lebensqualität, Akzeptanz und Umweltbelastung berücksichtigen. Praxisbeispiele aus München und Österreich zeigen erste Ansätze.
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Die Teilnehmer am BZT-Meeting fordern bessere Kennzahlen zur Erfolgsmessung im Tourismus
Die klassische Erfolgsmessung im Tourismus stößt an ihre Grenzen. Beim Jahresdialog des Bayerischen Zentrums für Tourismus in Kempten wurde deutlich: Zahlen zu Ankünften und Übernachtungen greifen zu kurz. Fachleute aus Wissenschaft und Praxis fordern ein breiteres Verständnis von Erfolg, das auch soziale und ökologische Faktoren einbezieht.
Wirtschaftskraft versus Belastung
Alfred Bauer, Leiter des BZT, verwies auf die Rekordzahlen des bayerischen Tourismus 2024 und betonte dessen wirtschaftliche Bedeutung. Gleichzeitig sprach er kritische Punkte wie Wohnraummangel und Verkehrsprobleme an, die in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend mit dem Tourismus verknüpft sind. Bauer plädierte für Kennzahlen, die sowohl Nutzen als auch Belastung abbilden.
Erfolg jenseits des Wachstumsparadigmas
Marius Mayer von der Hochschule München kritisierte die amtliche Statistik als unzureichend. Sie bilde den Tourismus nicht als gesellschaftliches Phänomen ab. Mayer forderte Indikatoren, die Lebensqualität, Tourismusakzeptanz und CO₂-Emissionen berücksichtigen. Projekte wie das LIFT-Förderprogramm ("Leistungssteigerung und Innovationsförderung im Tourismus" des Wirtschaftsministeriums) sollen einheitliche Standards für den Deutschlandtourismus etablieren.
Dashboard-Lösungen aus Österreich und München
Petra Unterweger stellte das RESY-Dashboard aus Österreich vor. Es umfasst 30 Indikatoren aus fünf Themenfeldern und bietet Regionen eine evidenzbasierte Grundlage zur Steuerung ihrer Entwicklung. Ziel sei eine gemeinsame Sprache zwischen den Akteuren.
Auch München entwickelt ein eigenes Kennzahlensystem. Ralf Zednik von München Tourismus erläuterte, wie die Stadt acht Hauptindikatoren entlang der Tourismusstrategie erhebt. Dazu zählen Nachfrageentwicklung, Perspektiven von Bevölkerung und Gästen sowie Akzeptanz. Die Finanzierung bleibt eine Herausforderung: Nicht alle Kennzahlen lassen sich jährlich erheben.
Datenkompetenz und Ressourcen als Hürden
Fabian Wolf von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) betonte die Notwendigkeit schneller Trendbilder und Echtzeitdaten. Die DZT setzt auf Dashboards mit qualitativen und quantitativen Indikatoren. Wolfgang Wagner von Bayern Tourismus Marketing warnte vor zu einfachen KI-Lösungen, die methodischen Ansprüchen nicht genügen. Er forderte mehr Datenkompetenz bei Tourismusverantwortlichen und kündigte den Aufbau eines bayerischen Tourismusmonitors an.
Vergleichbarkeit und Methodik
Die Diskussion zeigte Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Während das RESY-Dashboard Daten auf Gemeindeebene bereitstellt, ist dies in Bayern nur für Landkreise und kreisfreie Städte geplant. Einheitliche Erhebungsmethoden und die Förderung individueller Datenkompetenz gelten als zentrale Voraussetzungen für eine neue Erfolgsmessung.
Abschied mit einer offenen Frage
Zum Abschluss stellte Alfred Bauer die Frage, ob ein neues Kennzahlen-Set das Prinzip "Höher, schneller, weiter" im Tourismus ablösen kann und ob Medien künftig differenzierter über die Ergebnisse berichten werden.