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8. September 2025 | 23:07 Uhr
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Branche applaudiert, Gläubiger schweigen

Hotelberater Manuel Kuckenberger (Foto) versteht nicht, dass überstandene Insolvenzen in Eigenverwaltung sowohl von Fachmedien als auch der Branche belobigt werden. "Wenn ein Vorstand Boni kassiert, weil das Ergebnis stimmt, zerreißt ihn die Presse. Kommt er aber aus dem Gerichtssaal – klatschen alle." Hotel vor9 hat mit ihm gesprochen.

Manuel Kuckenberger Hotelberater

Hotelberater Manuel Kuckenberger wirft im Gespräch mit Hotel vor9 einen kritischen Blick auf den Umgang mit Insolvenzen

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Herr Kuckenberger, Sie haben in einem Linkedin–Beitrag den öffentlichen Applaus für erfolgreich überstandene Insolvenzen beklagt. Was haben Sie denn beobachtet und woran stören Sie sich?

Manuel Kuckenberger: In Branchenmedien dominieren fast ausschließlich positive Formulierungen – oft mit bewusstem Spin. Beispiel ÖGZ (01.09.2025): "Entschuldet. Das Wort hat Gewicht." Das klingt, als hätte ein Unternehmer seine Startfinanzierung aus Gewinnen zurückgezahlt und könne nun an die Börse gehen. Auf Social Media zeigt sich das noch deutlicher: Jeder Kommentar ist eine Gratulation. Diese kognitive Dissonanz war der Auslöser für meinen Beitrag.

Aber wir dürfen doch festhalten, dass die Rettung von Hotelketten wie Achat und Lindner erst einmal positiv sind, oder?

Natürlich ist der kurzfristige Erhalt von Arbeitsplätzen positiv. Aber können wir wirklich schon von einer "Rettung" sprechen – oder sollte man das erst in einigen Jahren beurteilen? Tatsache ist: nicht jeder Arbeitsplatz bleibt. Manche verlassen das Unternehmen lange vor dem "erfolgreichen Abschluss", andere werden gezielt gestrichen – von Vizepräsidenten bis zu technischen Diensten. Und wenn gleichzeitig überall Personalmangel beklagt wird, darf man auch fragen, ob jede Arbeitskraft nicht ohnehin anderswo dringend gebraucht wird.

In ihrem Beitrag schreiben sie davon, dass eine Insolvenz selten nur die "Schuldigen", sondern vielmehr auch die Lieferanten, Handwerker und Partner trifft, die nur noch die Quote sehen. Kennen Sie selbst Lieferanten oder Geschäftspartner, denen eine Insolvenz oder eine Insolvenz in Eigenverwaltung stark zugesetzt hat? 

Persönlich habe ich bislang keine Zahlungsausfälle erlebt – weder bei meinen Geschäftspartnern noch bei meinen eigenen Kunden. Und wir hoffen, dass es so bleibt. Wir arbeiten schließlich genau daran: unsere Kunden wettbewerbsfähig zu halten und Risiken frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig gegenzusteuern. Am Ende liegt ihr Erfolg auch deswegen in unserem Interesse.

Sie sprechen auch von den stillen Insolvenzen, also der Marktaustritt von kleinen Betrieben, die einfach nicht mehr können und schließen, dafür dann aber keinen "Applaus" erhalten. Was beobachten Sie hier?

Bei den "stillen Insolvenzen" ist das Bild meist ähnlich: Auslöser sind fehlende Nachfolge, steigende Kapitalkosten und Energielasten oder Investitionen, die jahrelang aufgeschoben und nun nicht mehr finanzierbar sind. Am Ende arbeiten Wirt und Wirtin nur noch, um den Kühlschrank zu füllen – während der Sohn längst entschieden hat, lieber bei der Bank zu arbeiten. Der Ablauf ist unspektakulär, das Echo höchstens lokal. Zurück bleiben verstreute Mitarbeitende, enttäuschte Lieferanten und ein Geisterhaus im Ortskern.

Und wenn doch einer noch mal anpackt?

Ein Unternehmen, mit dem ich kürzlich zusammengearbeitet habe, hat das größte Hotel eines Tiroler Orts nach einem Jahr Leerstand gekauft, da es gut ins Portfolio passte und aus der Konkursmasse zu haben war. Nationalen Applaus gab es keinen, und selbst vor Ort eine gewisse Skepsis, trotz Freude über die Revitalisierung. Und die Zentrale musste zuerst einmal gebrieft werden, wie mit Stammgästen umzugehen ist, deren Anzahlungen oder Gutscheine in der Insolvenz verloren waren.

Trotzdem, es muss doch auch für den Verursacher ein Recht auf ein "Leben nach einer Insolvenz" geben. Was schlagen Sie vor?

Muss es das geben? Ich frage mich, ob dadurch nicht nur Gläubiger geschädigt werden, sondern auch der Markt verzerrt wird – zum Nachteil jener Betriebe, die solide wirtschaften. Das Beispiel des Möbelriesen Kika/Leiner in Österreich zeigt, dass selbst zwei Insolvenzen oft nicht zum Überleben reichen. Wissen Sie, wann ich im Stillen tatsächlich applaudiert habe? Als Jufa Hotels mehrere Standorte geschlossen hat – mit der ehrlichen Ansage: "Wir können sie derzeit nicht wirtschaftlich führen". Unpopulär? Natürlich. Fragen Sie den Bürgermeister von Pöllau, oder den Abt vom Stift Admont. Aber Jufa hat schmerzhafte Eingriffe vorgenommen, um den gesunden Teil zu schützen. Damit haben sie sich die Zeit verschafft, um eine Rettung einzuleiten, die nachhaltig scheint. Hier werden nicht nur die Schulden bezahlt, es gibt frisches Kapital und externes Know-how für ein zukunftsfähiges Konzept.

Adrian Lindner, der als Mitglied der dritten Generation nun die Lindner-Hotels aus der Insolvenz übernommen hat, hat sich in seinen ersten Statements sehr demütig und auch selbstkritisch zur Insolvenz geäußert. Wirkt das auf Sie glaubhaft?

Ich bin weder Sanierungs- noch PR-Berater, sondern ein pragmatischer Beobachter aus der Hotelpraxis. Glaubhaftigkeit entsteht für mich nicht in Interviews, sondern im Tagesgeschäft. Genau darum ging es in meinem Linkedin-Beitrag: Die öffentliche Wahrnehmung kippt bei erfolgreichen Insolvenzverfahren oft allzu schnell in Richtung Applaus. Dass Adrian Lindner selbst betont, dass dies kein Grund für eine Party sei – das empfinde ich als wohltuend nüchtern.

Zur Person: Manuel Kuckenberger ist ein Touristiker und Hotelberater aus der Steiermark, und bezeichnet sich selbst als Zahlenmensch und Technikverliebter.

Das Gespräch führte Pascal Brückmann

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