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2. Dezember 2023 | 08:55 Uhr
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Hartges: "Es herrscht Enttäuschung, Resignation und Frust"

Der große Kampf zur Beibehaltung der sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie endete für den Dehoga in einem regelrechten Drama und Wechselbad der Gefühle. Im Interview mit Hotel vor9 erklärt Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges (Foto), warum der Verband trotz schlechter Aussichten weiterkämpfen will und was nun die Aufgabe der Betriebe ist.

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Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga

Frau Hartges, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und infolgedessen die riesigen Haushaltslöcher, haben ihren Kampf um die Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie jäh zunichtegemacht. Wie haben Sie dieses Drama erlebt?

Ingrid Hartges: Noch am 13. November hatten wir die Information, dass eine Einigung der Ampelspitzen für die Verlängerung um ein Jahr vorliegt. Zweifelsohne ein Beweis dafür, dass unsere Arbeit erfolgreich war. Wir sind mit unseren Argumenten durchgedrungen. Dies wurde auch nochmal durch die Einlassung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich wenige Tage später bestätigt. Am 15. November attestierte dann das Bundesverfassungsgericht der Regierung und allen Verantwortlichen verfassungswidriges Handeln – und im Haushalt fehlen nun 60 Milliarden Euro...

Ein bitterer Wendepunkt... 

Natürlich. Aber dass daraufhin die Koalition unmittelbar nach dem Urteilsspruch der Karlsruher Richter zuvorderst die Wiedereinführung der 19 Prozent ab Januar 2024 verkündet hat, war und ist für uns weder nachvollziehbar noch vermittelbar. Die Ampel nimmt wissentlich Betriebsaufgaben, Insolvenzen, Ausbildungs- und Arbeitsplatzverluste, die Verteuerung von Speisen und ein Verlust an Lebensqualität, insbesondere im ländlichen Raum, in Kauf. In der Branche herrschen verständlicherweise Enttäuschung, Resignation und Frust über dieses politische Handeln. Wertschätzung für das, was die Gastgeber mit ihren Beschäftigten für unser Land leisten, sieht definitiv anders aus.

Sie richten sicherlich ab sofort alle Energie darauf, dass die Unternehmen und Betriebe sich auf die neue Realität einstellen und gut auf das Datum 1. Januar vorbereiten. Oder geht ihr Kampf doch noch weiter?

Klar ist: Jeder Unternehmer ist gut beraten, sich jetzt auf das neue Szenario mit seinem Betrieb vorzubereiten. Wie auch unsere Umfragen zeigen, werden die meisten Unternehmen keine andere Wahl haben, als die Steuererhöhung an den Gast weiterzugeben. Die explodierenden Kosten für Lebensmittel, Löhne und Gehälter sowie Energie lassen ihnen keine Spielräume. Nur mit den sieben Prozent war es den Betrieben bislang möglich, die massiven Kostensteigerungen zumindest teilweise abzufedern.. Parallel dazu kämpfen wir weiter. 

Macht das wirklich noch Sinn?

Es besteht ja noch eine Rest-Chance über den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag. Im Rahmen des Wachstumschancengesetzes beschäftigen sich die Politiker auch noch einmal mit der reduzierten Mehrwertsteuer. Das Thema ist also noch nicht von der Agenda. Unsere Argumente waren und bleiben richtig.

Aber wäre es nicht klüger, bei allem verständlichen Ärger über die Art und Weise wie diese Entscheidung zustande gekommen ist, nun die Realität anzunehmen und zu akzeptieren. Die derzeitige Regierungskoalition hat ihre Entscheidung doch längst getroffen.

Wir erfahren auf Länderebene nach wie vor enormen Zuspruch. Bayern, Berlin, sämtliche ostdeutschen Bundesländer setzen sich für die sieben Prozent ein. Aber natürlich ist uns klar, dass es eine politische Mehrheit im Bund für das Thema braucht und leider ist es über die derzeitige Regierung und unter den bekannten Umständen tatsächlich schwer, den gewünschten Kurswechsel jetzt noch zu erzielen. Das ändert aber nichts daran, dass die einheitliche Besteuerung von Essen mit sieben Prozent hergestellt werden muss. Es kann und darf doch nicht sein, dass der Salat in der Plastikverpackung aus dem Supermarkt oder das verpackte Gericht des Lieferservices weiterhin mit sieben Prozent besteuert wird, während für das frisch zubereitete Essen auf dem Porzellanteller im Restaurant 19 Prozent fällig werden. 

Wenn zum 1. Januar die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent steigt, wie groß wird das Verständnis der Gäste und der Bevölkerung sein, wenn dann auch die Preise steigen? Es gibt ja nicht wenige Stimmen, die argumentieren, von der reduzierten Mehrwertsteuer hätten die Gastgeber nichts an ihre Gäste weitergegeben…

Die Einführung der reduzierten Mehrwertsteuer war keine Preissenkungsmaßnahme, sondern eine politische Maßnahme zur Stärkung der von der Corona-Krise und der Inflation besonders stark betroffenen gastronomischen Betriebe. Zugleich werden wir begleitende Aufklärungsarbeit leisten. Die Betriebe haben keine Spielräume mehr. Wichtiger denn je sind einhergehend mit den notwendigen Preiserhöhungen Produkt- und Servicequalität. Es bleibt zu hoffen, dass die Gäste unseren "öffentlichen Wohnzimmern" die Treue halten und mit ihrem Kommen zur Zukunftssicherung der Restaurants und Cafés beitragen.

Zur Person: Ingrid Hartges ist seit 2006 Hauptgeschäftsführerin des Dehoga und vertritt die Interessen von rund 180.000 Unternehmen aus der Gastronomie- und Hotelleriebranche.

Das Gespräch führte Pascal Brückmann

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