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12. Juli 2023 | 16:09 Uhr
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Wildnis-Erfahrung mit Hightech-Cabins

Mit Blockhütten im Stil eines Boutique-Hotelzimmers wollten drei Naturfans zu Pandemiezeiten die Outdoor-Lust der Menschen befriedigen. Dabei weisen die Cabins von "Raus" zahlreichen Komfort auf, die Wildnis bleibt draußen. Mitgründer Julian Trautwein (Foto) erklärt, warum es trotz Zweifeln klappte – und auch nach der Pandemie läuft.

Raus Julian Trautwein Gründer Foto Noel Richter

Raus-Mitgründer Julian Trautwein will seinen Gästen Natur und Komfort bieten

Herr Trautwein, die Idee mit den "Raus"-Cabins entstand zu Zeiten der Corona-Pandemie im Jahr 2021, als die Menschen wegen der Reisebeschränkungen vermehrt den Weg in die Natur suchten. Ebbt das Interesse der Gäste jetzt ab?

Ganz im Gegenteil. Die Lust der Menschen auf eine Auszeit in der Natur ist ungebrochen, wir haben lange Wartelisten. Die Menschen zieht es nach wie vor in die Natur, das hat sich gehalten. Und wir wollten im Endeffekt eine neue Alternative für dieses Verlangen bieten: eine Auszeit im Grünen mit den Vorzügen eines Boutique-Hotelzimmers.

Welchen gewerblichen Hintergrund haben Sie und Ihre beiden Geschäftspartner?

Ich war mehrere Jahre im Kommunikations-Team von Airbnb, Christopher war als Banker mit Finanzierungen in der Schifffahrt beschäftigt und Johann arbeitete einerseits bei einer Stiftung, hatte aber familiäre Erfahrung mit der Vermietung von Ferienwohnungen. Wir hatten selber einen Bezug zur Natur, aber bei Campingplätzen fehlten uns ein gewisser Komfort und technologische Features. Auch sollten die Cabins nicht fest mit dem Boden verankert werden, sondern rückstandslos den Standort wechseln können. Wir hatten aber kein Architektenwissen und sind da ziemlich blauäugig drangegangen.

Wie haben Sie es dann realisiert?

Alle aus der Hotellerie und von der Produzentenseite sagten uns zu Anfang, das würde nicht gehen. Es sei nicht möglich, alle unsere Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Dann haben wir einen Produzenten gefunden, der genau so verrückt war wie wir und der sich traute, die Cabins mit uns zu entwickeln. Technologisch war das tricky, denn die Cabins sollten abseits jeglicher Infrastruktur funktionieren können. Der Strom kommt von Solarpaneelen auf dem Dach, es gibt eine Frischwasserversorgung über Tanks, die Wasseraufbereitung muss vor Ort funktionieren. Dazu kommen Smart-Home-Features wie schlüsselloser Zugang, Temperatur-Regelung, Füllstandsanzeige der Batterien und eine Software, um die Cabins aus der Ferne managen zu können.

Klingt nicht nach einem echten Naturerlebnis, sondern nach Landlust-Light.

Das sehen wir anders. Grundsätzlich wollen wir den Menschen ein schönes Naturerlebnis ermöglichen. Wir wollten uns aber nicht damit abfinden, dass man dabei auf Komfort verzichten und auf dem Boden schlafen muss, um eine angenehme Auszeit vom Alltag zu erhalten – allerdings immer unter einem nachhaltigen Grundgedanken. Klar kann man sagen, dabei geht es um ein „Abenteuer Light“. Aber wenn wir es schaffen, dass so mehr Menschen häufiger raus in die Natur kommen, wird es ihnen helfen, das Ökosystem besser zu verstehen. Im Endeffekt bieten wir ein technologisches Backend und gewähren dadurch ein Natur-Erlebnis, dass als Frontend fungiert und total offline funktioniert. Fernseher oder so etwas haben wir nicht: Der Blick aus dem Fenster genügt, zumal manchmal auch Rehe, Hasen oder Pferde durch die Szenerie laufen.

Seit dem Beginn verzeichneten Sie rund 7.000 Gäste und führen lange Wartelisten. Ruft dieser Erfolg nicht auch andere Player wie Hoteliers auf den Plan, die bei entsprechendem Areal ein paar Cabins als zusätzliches Angebot aufstellen könnten und Ihnen Konkurrenz machen?

Erstmal freut es mich, dass wir schon so vielen Menschen ein einzigartiges Erlebnis in der Natur ermöglichen konnten und wir eine so hohe Auslastung haben. Das alles über Direktbuchungen über unsere Homepage und noch ohne OTAs, das ist unser Haupttreiber. Als Konkurrenten sehe ich Hotels eigentlich nicht, denn wir sind in Regionen unterwegs, die nicht gerade als touristisch attraktiv gelten, relativ weit ab von Städten. Da gibt es kaum einen Bedarf für große Hotels mit 150 oder mehr Betten. Wir haben mit einigen interessierten Hotels gesprochen, die sich das überlegen. Ich wäre nicht abgeneigt, mal etwas zusammen auszuprobieren.

Dann würden Sie als Franchisegeber fungieren?

Generell ist das eine interessante Perspektive, aber so weit sind wir noch nicht. Momentan funktioniert das System so, dass wir die Cabins nach unseren Designs und technischen Zeichnungen produzieren lassen. Wir arbeiten mit lokalen Partnern zusammen, beispielsweise für das Housekeeping oder Lebensmittel von örtlichen Bauern, die dafür eine Umsatzbeteiligung bekommen. Marketing, Vertrieb und Kundenservice machen wir. In der Distribution könnte es Sinn machen, weitere Kanäle hinzuzunehmen, wenn wir es auf unserem Direktvertrieb nicht mehr alleine schultern können.

Auf welche Marketing Tools setzen Sie bisher?

Wir haben kein großes Marketingbudget und können eh nicht mit den Großen mithalten. Wir setzen darauf, eine starke Marke mit Haltung zu entwickeln, so dass Gäste direkt zu uns auf unsere Homepage kommen. Auch E-Mail- Marketing, Social Media und die Zusammenarbeit mit Influencern läuft für uns sehr gut. Wir freuen uns über die große Nachfrage und haben mittlerweile eine Warteliste von dreieinhalbtausend Interessenten.

Sie sind auf Expansionskurs und haben im Raum Frankfurt drei weitere Cabins gestartet. Wo soll die Reise noch hingehen?

Deutschland bleibt unser Fokus, und wir haben ja gerade mal 40 Cabins. Aber es gibt noch viele Regionen in Deutschland, die sich einfach anbieten und wunderschön sind. Wir sind im Norden gestartet und gehen jetzt immer weiter in den Süden, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind absolut interessant. Da die Cabins mobil sind und einfach woanders aufgestellt werden können, ist alles möglich. Wir glauben das das das Konzept in ganz Europa funktionieren kann.

Zur Person
Julian Trautwein arbeitete jahrelang im Marketing von Airbnb und war immer ein Outdoor-Fan. Gemeinsam mit den Gleichgesinnten Christopher Eilers, einem ehemaligen Banker, und Johann Ahlers, lange bei einer Stiftung und erfahren im Bereich der Ferienwohnungsvermietung, entwickelten die drei die „Raus“-Cabins, die flexibel transportiert und aufgestellt werden können und komfortable Naturerlebnisse gewähren sollen. Das Konzept prosperiert: Aus nur einer Hütte in Brandenburg wurden bisher 40 Einheiten, die sich bislang über Nord- und Ostdeutschland sowie Hessen erstrecken.

Das Interview führte Sven Schneider

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