Wie Führungskräfte mit einem Plan B durch die Krise kommen
Branchenexperte Sascha Dalig (Foto) meldet sich in der laufenden Debatte über den zunehmenden Druck von Führungskräften in der Hotellerie zu Wort. Im Interview mit Hotel vor9 identifiziert er Möglichkeiten, wie Hoteldirektoren auf die Herausforderungen reagieren können.

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Sascha Dalig spricht im Interview über die größten Herausforderungen für Hoteldirektoren in der heutigen Zeit
Herr Dalig, auch Sie haben die Berichterstattung von Hotel vor9 über einen Aussteiger aus der Hotellerie und die vielfältigen Reaktionen darauf verfolgt und sich daraufhin bei uns gemeldet. Was hat Sie dazu bewegt?
Sascha Dalig: Vielleicht, weil mich die Resonanz auf diesen Bericht überhaupt nicht überrascht hat – solche Stimmen höre ich regelmäßig, vor allem aus Konzernen. Dort werden in kurzen Abständen Stellen abgebaut und neu geschaffen, in Hotels wie in Zentralen. Diese Unruhe macht etwas mit den Menschen. Es ist nachvollziehbar, dass Führungskräfte in solchen Strukturen irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Aber: Ich bin überzeugt, dass man sich auch auf solche Situationen vorbereiten kann.
Wie soll das funktionieren?
Zunächst sollten wir lernen, Unternehmenszahlen zu lesen und zu verstehen – gerade in Konzernen sind Entwicklungen oft absehbar. Wer das versteht, kann sich einen Plan B zurechtlegen, sich Ziele setzen, und gezielt steuern, wohin die Reise beruflich gehen soll. Auch ein Hoteldirektor kann sich strategisch aufstellen: Was will ich erreichen, und wie? Wenn aus der Zentrale plötzlich neue Signale kommen, gilt es nachzufragen und die eigenen Schlüsse zu ziehen. Ausbrennen ist ein Prozess – und man kann lernen, diesen Prozess rechtzeitig zu unterbrechen, notfalls mit externer Unterstützung.
Sie selbst haben Konzernerfahrung und hatten die Hotellerie dann für eine Weile verlassen. Jetzt haben Sie sich aber bewusst für den Weg zurück in den operativen Hotelalltag entschieden. Warum?
Nicht ganz verlassen, ich war, zum Glück, immer im Hospitality Umfeld zuhause. Nach verschiedenen Stationen – auch auf der Zuliefererseite – habe ich mich ganz bewusst entschieden, wieder ins direkte Hotelgeschäft zurückzukehren. Diesen Schritt bereue ich keinen Moment. Allerdings braucht es dafür Partner, die eine gemeinsame Vision teilen. Es geht darum, Werte zu definieren und sie nicht nur auf ein Plakat zu schreiben, sondern sie tatsächlich zu leben. So entsteht eine Unternehmenskultur, die zukunftsfähig ist – wirtschaftlich wie personell.
Also Augen auf bei der Wahl des Arbeitgebers?
Unbedingt. Es ist für mich wichtig Gespräche auf Augenhöhe zu führen und zu verstehen, wer die Firma ist, wohin sie geht und was die Vision ist. Dazu ist es wichtig, die handelnden Personen kennenzulernen. Gerade in Führungspositionen ist vorteilhaft, das Team um einen herum zu kennen und nicht blind hineinzugehen. Es geht hier nicht darum, Freundschaften zu schließen, sondern zu verstehen, wer die Menschen sind, die die Firma und die Kultur gestalten. Der auch aus Arbeitgebersicht gerne genutzte Weg der Darstellung von Benefits ist wertlos, wenn die Kultur im Unternehmen eine gänzlich andere ist als suggeriert. Also Augen und Ohren auf und Fragen stellen.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für Hoteldirektoren heute?
Ein großer Knackpunkt ist die Finanzplanung, gepaart mit der Herausforderung, die richtigen Teams zusammenzustellen. Diese Gesamtplanung muss realistisch sein, damit der wirtschaftliche Druck auf den jeweiligen Direktor nicht überhandnimmt. Ansonsten entsteht ein Klima, in dem gute Führung kaum mehr möglich ist. Gleichzeitig sehe ich viele Privathotels, oft in der zweiten oder dritten Generation, die mit großer Leidenschaft Orte schaffen, an denen Menschen gerne arbeiten. Diese Positivbeispiele brauchen mehr Sichtbarkeit.
Wie kann sich denn die Branche gegen den Negativtrend behaupten?
Wir dürfen nicht nur auf die Aussteiger und negativen Entwicklungen schauen – so real sie auch sind. Es gibt viele Häuser, die zeigen, wie es besser geht. Diese Leuchttürme, dürfen wir zeigen und vor allem auch die Menschen, die hier arbeiten. In Zeiten zunehmender Automatisierung wird der persönliche Touch immer wichtiger. Wir dürfen und müssen Technologie nutzen, um effizient zu arbeiten und das persönliche Gasterlebnis zu gestalten. Festhalten an alten Strukturen und Abläufen wird uns nicht voranbringen. Das positive Umfeld, das wir uns wünschen, müssen wir aktiv selbst gestalten. Und wir müssen Hoteldirektoren und ihre Teams auf diesem Weg mitnehmen. Nur so lässt sich Zukunft gestalten.
Was halten Sie von den vielen ehemaligen Führungskräften, die heute als Berater unterwegs sind?
Zu viele von ihnen geben nur das weiter, was sie selbst nicht gut verarbeiten konnten. Das Ergebnis ist oft eine mittelmäßige Beratung, die Hotels nicht wirklich voranbringt. Wirklich hilfreich sind Berater, die mit einer positiven Haltung, fundierter Erfahrung und echtem Gestaltungswillen unterstützen und die sich zum Beispiel mit den Förderprogrammen des Bundes und Landes auseinandersetzen und diese mit in ihre Beratung aufnehmen. Zudem ist der Blick über den eigenen Tellerrand entscheidend. Marketing beispielsweise entwickelt sich und ich muss hier verstehen, wohin es geht – das funktioniert nicht, wenn ich immer in der gleichen Runde über die Farbe der Servietten diskutiere, während anderswo digitale Prozesse einfach umgesetzt werden.
Was wünschen Sie sich abschließend für die Diskussion, die wir hier gerade führen?
Mehr differenzierte Perspektiven. Die Hotellerie ist eine wunderbare Branche, wenn man sie mit den richtigen Menschen gestaltet. Wir sollten mehr Mut haben, auch die Erfolgsgeschichten zu erzählen – denn sie zeigen, dass Veränderung möglich ist. Ich freue mich auf den weiteren Austausch dazu.
Zur Person: Sascha Dalig ist ein erfahrener Hotelier, Wirtschaftsfachwirt und Nachhaltigkeitsmanager mit über 25 Jahren Branchenerfahrung, der verschiedene operative und strategische Führungspositionen in der Hotellerie durchlaufen hat. Er ist heute Director Commercial der Signo Hospitality GmbH und engagiert sich zudem als Keynote Speaker, Ausbilder und Autor für Innovation, Nachhaltigkeit und Nachwuchsförderung in der Branche.
Das Gespräch führte Pascal Brückmann